Der Leitzins wurde 2023, wie von Experten erwartet, schrittweise weiter erhöht. Er liegt mittlerweile bei 4,25 Prozent und damit auf einem Niveau wie vor der Finanzkrise 2008. Dazu beendete die EZB 2022 milliardenschwere Anleihekäufe.
Die Zinswende soll die hohe Inflation in Europa ausbremsen. Im Oktober 2022 stiegen die Preise in Deutschland um einen Rekordwert von 10,4 Prozent. Mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 7,9 Prozent lag die Inflation 2022 wesentlich höher als in den vorangegangenen Jahren.
Im Juli 2023 betrug die Inflationsrate 6,2 Prozent , wobei die Erhöhung der Nahrungsmittelpreise bei 11 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat lag. Ruth Brand, Präsidentin des Statistischen Bundesamts, meint zu der Inflationsentwicklung: „Die Inflationsrate hat sich etwas abgeschwächt, bleibt aber weiterhin auf einem hohen Niveau. Besonders die Preisentwicklung bei Lebensmitteln treibt die Inflation weiter an.“
Doch nicht nur Europa hat mit einer steigenden Inflation zu kämpfen. Die US-Notenbank FED hat ihre Geldpolitik schon früher verschärft und startete bereits zu Beginn des Jahres 2022 eine Zinserhöhung, um die Inflation einzudämmen. Die EZB folgte der FED-Zinserhöhung mit etwas Verzögerung.
Die weltweit steigende Inflation hat mehrere Ursachen: Aufgrund des Ukraine-Kriegs gibt es Engpässe bei der Versorgung mit Energie und Rohstoffen, als Folge der Corona-Pandemie sind Lieferketten weiterhin empfindlich gestört. Eine weitere Verschärfung der Lage könnte zudem durch eine Lohn-Preis-Spirale entstehen. Wenn Energie und Lebensmittel immer teurer werden, müssen Arbeitnehmer zwangsläufig mehr Geld vom Arbeitgeber fordern. Dies findet sich bereits teilweise in abgeschlossenen Tarifverträgen wieder.
Für Verbraucher bedeutet die Zinswende 2022 einige Änderungen. Während Sparer von den steigenden Zinsen tendenziell eher profitieren, werden viele Kreditnehmer mit höheren Kosten belastet. Das trifft insbesondere Bauherren, die nicht nur mit steigenden Zinsen für Kredite rechnen müssen – auch die Baukosten erhöhen sich massiv.
Welche Bedeutung haben die Leitzinsen
Die Leitzinsen beeinflussen die gesamte Zinsentwicklung des zugehörigen Wirtschaftsraums. In der Eurozone legt die EZB die Höhe der Leitzinsen fest.
Genau genommen besteht der Leitzins aus dem Einlagensatz, dem Hauptrefinanzierungssatz und dem Spitzenrefinanzierungssatz.
Wie eingangs beschrieben, reguliert der Einlagezinssatz die Kapitaleinlage bei der EZB. Für die Negativzinsen war beispielsweise hauptsächlich die negative Einlagenfazilität verantwortlich.
Hauptrefinanzierungssatz und Spitzenrefinanzierungssatz bestimmen hingegen, zu welchen Bedingungen Banken Geld von der EZB leihen können. Wird ohne nähere Angabe vom EZB-Leitzins gesprochen, ist meist vom Hauptrefinanzierungssatz die Rede.
Die Anpassung der Zinssätze ist eines von mehreren Instrumenten der EZB, um die Geldpolitik der EU durchzusetzen.
Zum 2. August 2023 erhöhte die EZB den Leitzins wegen der weiterhin hohen Inflation in Europa auf 4,25 Prozent.
Hintergrund zur EZB – Geldpolitik für Preisstabilität
Die Europäische Zentralbank (EZB) ist die Notenbank der EU. Die EZB ist unter anderem dafür verantwortlich, die Preise im Euroraum stabil zu halten und damit ein solides Wirtschafts- und Finanzsystem der 27 EU-Länder zu gewährleisten.
Die EZB steuert die Preisstabilität kontinuierlich, indem sie die Leitzinsen der aktuellen Situation anpasst. Ziel der EZB ist eine durchschnittliche Inflation von 2 Prozent im Euroraum. Seit 2021 wird dieser Wert jedoch überschritten, seit 2022 sogar deutlich.
Wie wirkt eine Zinserhöhung gegen die Inflation
Die Inflation stellt den durchschnittlichen Preisanstieg von Waren und Dienstleistungen in einer Marktwirtschaft dar. Je höher die Inflation, desto weniger Wert hat die Währung. Eine Erhöhung der Leitzinsen soll der Inflation entgegenwirken. Je höher der Leitzins ist, desto teurer ist es für eine Bank, sich Geld von der EZB zu leihen. Diesen Preis geben Banken mit einer zusätzlichen Kreditgebühr an ihre Kunden weiter. Wenn sich der Leitzins erhöht, werden also Kredite teurer. Das beeinflusst das Verhalten von Privatpersonen und Unternehmen. Für alle wird es schwieriger und teurer, Kredite zu finanzieren – egal ob für Bauvorhaben oder Investitionen. Die daraus resultierende sinkende Nachfrage soll langfristig zu sinkenden Preisen von Produkten und Dienstleistungen führen.
Die von der Deutschen Bundesbank für 2022 prognostizierte Inflation von 8 Prozent für Deutschland wurde dennoch beinahe erreicht. Für das Jahr 2023 erwartet die Bundesbank in Deutschland eine Inflationsrate von 6,0 Prozent, im Euroraum rechnen die Fachleute der Zentralbanken mit 5,4 Prozent , langfristig rechnen die Banken mit einer durchschnittlichen Rate von 2,2 Prozent.
Mehr zu den Hintergründen und dem Zusammenhang zwischen Zinserhöhung und Inflation lesen Sie in unserem Ratgeber Inflation & Preissteigerung.
Welche Auswirkungen hat die Zinswende auf Immobilien-Käufer
Durch eine Leitzinserhöhung werden Kredite teurer. Nach aktuellem Stand werden die Zinsen für Kreditnehmer in diesem Jahr weiter steigen. Kreditnehmer und Bauherren sind von der aktuellen Entwicklung besonders getroffen. Wer derzeit einen neuen Kredit für den Bau oder Kauf einer Immobilie aufnehmen möchte, muss mit deutlich höheren Kosten als in den vergangenen Jahren rechnen. Dazu sind auch viele Immobilienbesitzer von den Zinserhöhungen betroffen: Wenn das Haus oder die Wohnung noch nicht abbezahlt ist und der bestehende Kredit ausläuft, ist die Anschlussfinanzierung zu neuen Konditionen für viele eine Herausforderung.
Seit Jahresbeginn 2022 gingen die Bauzinsen deutlich nach oben. Die Zinsen für Immobilienkredite sind in der ersten Jahreshälfte im Schnitt um zwei Prozentpunkte gestiegen. Doch damit nicht genug: Seitdem sind die Zinsen stetig gestiegen, von knapp 1 Prozent auf mittlerweile 4 Prozent und mehr.
Fest steht: Das Bauen eines Eigenheims oder der Erwerb von Immobilien und Grundstücken wird erheblich teurer. Den Traum vom Haus werden sich viele künftig vermutlich nicht mehr leisten können. Denn zusätzlich zu den Auswirkungen der Zinserhöhung sind durch die Inflation und die Rohstoffknappheit auch die Preise für Baumaterialien sowie die Lohnkosten für Handwerker gestiegen. Unterm Strich rechnen Experten mit Mehrkosten zwischen 20 und 30 Prozent beim Hausbau. Für Käufer von Bestandsimmobilien sieht die Lage nicht viel besser aus – neben den teuren Krediten sorgen steigende Immobilienpreise auch hier nicht für eine Entspannung des Marktes.
Die veränderte Lage wird sich auf die gesamte Wohnsituation auswirken. Auch Mieter könnten betroffen sein. Denn je weniger neuer Wohnraum geschaffen wird, desto weniger Bestand wird frei. Diese Knappheit wird vermutlich auch zu steigenden Mieten führen.
Einige Kreditnehmer profitieren
Doch die Zinswende kann für einige auch positive Auswirkungen haben. Wer einen langfristig laufenden Kredit zu guten Konditionen hat, kann sich verhältnismäßig entspannt zurücklehnen. Hier kann sich die Inflation für den Kreditnehmer sogar günstig auswirken. Effektiv gesehen bezahlt der Kreditnehmer seinen Kredit mit weniger Geld ab, als er erhalten hat. Die reale Verzinsung sinkt. (Dieser positive Effekt tritt nur ein, wenn das Einkommen des Kreditnehmers auch analog zur Inflation steigt.)
Welche Auswirkungen hat die Zinswende für Sparer
Für Sparer bringt der höhere Leitzins ebenfalls eine Veränderung mit sich: Denn mit den steigenden Leitzinsen gehören auch die Negativzinsen wieder der Vergangenheit an. Banken müssen bei der EZB keine Zinsen mehr für geparkte Gelder zahlen. Die Institute können dort Geld zu einem Zinssatz von aktuell 3,75 Prozent anlegen. Diese Ersparnis geben die Geldhäuser an ihre Kunden weiter. Angesichts der Normalisierung des Zinsniveaus wird die Berechnung sogenannter „Verwahrentgelte“ eingestellt.
Gibt es wieder Sparzinsen
Kunden müssen für ihr Gespartes keine Gebühren mehr bezahlen, sondern erhalten wieder Zinsen auf Spareinlagen, Tages- und Festgeld konten.
Was ist der Unterschied zwischen Tagesgeld und Festgeld
Sowohl das Tagesgeld als auch das Festgeld ist eine Form der Geldanlage. Beim Tagesgeld wird keine feste Laufzeit vorgeschrieben und auch der Zinssatz ist variabel. Hier steht Flexibilität im Vordergrund. Beim Festgeld werden der Zinssatz und die Laufzeit festgelegt. Auf das Geld können Sie in dem Zeitraum nicht zugreifen.
Wie profitiere ich von der Zinserhöhung
Tagesgeld
Für Bestandskunden gibt es beim Tagesgeld einen Basiszinssatz, der entsprechend der Zinsentwicklung variieren kann. Neukunden bekommen häufig einen deutlich höheren Sonderzins. Es lohnt sich dementsprechend jetzt, Geld auf ein Tagesgeldkonto einzuzahlen. Sie zählen übrigens auch als Neukunde, wenn Sie bereits ein Girokonto bei uns haben, aber noch kein Tagesgeldkonto.
Anleihen
Verbunden mit der Zinswende ziehen auch die Renditen für Staatsanleihen deutlich an. So lag bereits im Februar 2023 die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen durchschnittlich bei etwa 2,4 Prozent.
Anleihen sind für Anleger geeignet, die ihr Geld für eine bestimmte Zeit zu einem festen Zinssatz anlegen möchten. Mit Anleihen von beispielsweise Landesbanken können Sie von attraktiven Zinsen profitieren. Für die Zeichnung wird ein Wertpapierdepot vorausgesetzt.
Gut zu wissen: Zu unserem Wertpapierdepot gibt es immer auch ein Tagesgeldkonto. So können Sie zusätzlich von Guthabenzinsen profitieren.
Achtung: Auch wenn das Herz vieler Sparer jetzt höherschlägt – die Kosten der Inflation werden durch die Zinsen nicht aufgefangen. Die anhaltende Rekordinflation vermindert den Wert der Ersparnisse auf dem Konto also trotzdem. Auch Anleger verlieren aufgrund der Inflation faktisch weiterhin Geld.
Welche Auswirkungen hat das Auslaufen der Anleihekäufe
Der Kauf von Anleihen ist – neben der Regulierung des Leitzinses – ein weiteres geldpolitisches Instrument der EZB, um die Preise im Euro-Raum auszugleichen. Durch den Kauf von Staatsanleihen, kommt mehr Geld in den Umlauf und die Konjunktur zieht an. Damit steigt auch die Inflation. Seit der Eurokrise hat die EZB gewaltige Summen in Staatsanleihen und in den Ankauf von Wertpapieren einzelner Unternehmen investiert. Die Zentralbank wollte damit den Euro stärken, das Zinsniveau niedrig halten und die Währungsunion vor dem Zusammenbruch schützen.
Nun ist die EZB gezwungen, ihre Strategie zu ändern: Anleihekäufe sollen nur noch dann stattfinden, wenn die Zinsabstände zwischen Anleihen der unterschiedlichen EU-Länder zu groß werden. Damit will die EZB der Gefahr entgegenwirken, dass diese Länder ihre Schulden nicht mehr begleichen können.
Quelle:
www.sparkasse.de/aktuelles/zinswende.html
www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/01/PD23_022_611.html
https://de.statista.com/themen/11139/leitzinsen-zinsniveau-und-inflation/#topicOverview
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